Nachfolgend Beschreibungen der gängigsten Lawinenarten.
Für den Tourengeher sind durch Schneebretter ausgelöste Lawinen die gefährlichste und auch häufigste Lawinenart, da diese meistens beim Begehen oder Befahren eines Hanges und die dadurch entstehende Hangbelastung ausgelöst werden.
Schneebretter bestehen aus gebundenem Schnee (der Ausdruck Brett ist etwas irreführend, da der gebundene Schnee im Vergleich zu einem Brett relativ weich sein kann), oft angewehtem Schnee (Triebschnee) der sich in windgeschützten Stellen absetzt. Dies kommt häufig an Bergkanten / Graten vor. Schneebretter reißen dabei linienförmig und großflächig bevorzugt an den steilen Stellen ab und gleiten auf der glatten Unterfläche blitzschnell nach unten. Im Laufe des Abgangs kann sich die Schneebrettlawine in andere Lawinenarten umwandeln.
Besonders leicht lösen sich Schneebretter wenn es eine schlechte Bindung mit der darunter liegenden Schneeschicht gibt (z.B. Neuschnee auf einer Harschschnee-Unterlage). Sie gehen dann als sogenannte Oberlawinen ab.
Für den Tourengeher ist daher das Erkennen von Triebschnee und damit möglichen Schneebrettern besonders wichtig. Ein Anzeichen für Triebschnee kann eine dünenartig gewellte Schneeoberfläche sein. Die steile Seite der einzelnen Dünen zeigt dabei die windabweisende Seite an, also die Richtung in die der Wind bevorzugt geblasen hat. Auch Schneewechten an Graten oder vom Wind abgeblasene Kämme können einen geübten Tourengeher auf Triebschnee bzw. Schneebretter hinweisen. Eine besondere Gefahr entsteht, wenn der Triebschnee durch nachfolgende Schneefälle verdeckt und damit schwer erkennbar ist.
Bei sehr hoher Lawinengefahrstufe können Schneebretter durch Belastungszunahme (Schneefall, Regen, schnelle Erwärmung) selbst ausgelöst abgehen. Schneebrettlawinen sind in der Regel Hanglawinen, d.h. sie kommen noch auf dem Hang zum Stillstand und gehen nicht vollständig ins Tal ab, im Gegensatz zu den Lockerschneelawinen.
Opfer von Schneebrettlawinen sterben oft nicht durch Ersticken, sondern durch den harten Aufprall mit dem Kopf z.B. auf Eis, Steine oder Felsen. Ein Helm als Schutz kann hier Leben retten.
Lawinen durch Schneewechten
Als Schneewechten bezeichnet man die an Plateauabbrüchen oder Geländekanten wie Kämmen oder Graten durch Schneeverfrachtung entstehenden, stark verdichteten Schneeablagerungen direkt auf der windabgewandten und häufig steileren Seite eines Grates mit keilförmigem Überhang.
Wechten sind sehr tückisch. Betritt man den günstiger erscheinenden, flacheren Teil oberhalb des Wechtenspaltes, kann die Wechte abbrechen. Der Wechtenspalt ist ein meist von Schnee überdeckter Spalt zwischen der Schneedecke auf der Windseite und der auf der windabweisenden Seite überhängenden Wechte. Er verläuft auf der Windseite etwas unterhalb der im Gelände vorgegebenen Gratkante.
Ebenso können Gewichtsbelastung durch frischen Schnee oder Destabilisation des Schneeaufbaus bei Temperaturanstieg das Abbrechen der Wechten verursachen. Dabei können sie auch Lawinen auslösen, die je nach Hanglage bis tief ins Tal stürzen.
Staublawinen entstehen, wenn eine große Schneemasse einen steilen Hang hinabstürzt und dabei weiteren Schnee aufnimmt. Sie reißen punktförmig an und die Stirn der Lawine wird beständig höher. In einer Lockerschneelawine wird der Schnee aufgewirbelt, sodass ein Schnee-Luft-Gemisch entsteht. Eine solche Lawine breitet sich zu Beginn mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/h aus, was sich aber noch auf bis zu 300 km/h steigern kann.
Einher mit der Lockerschneelawine gehen gewaltige Luftdruckschwankungen, die tödlich sein können. Durch diese Druckschwankungen, die den Bedingungen in einem Wirbelsturm gleichen können, kommt es zu den großen Zerstörungen. Bäume werden abgeknickt, Hausdächer weggerissen und Fenster eingedrückt, wodurch Schnee in das Haus eindringt. Eine weitere Gefahr besteht durch herumfliegende Gegenstände. Gelangt das Schnee-Luft-Gemisch in die Lunge von Menschen oder Tieren, so führt dies in der Regel nach kurzer Zeit zum Tode durch Ersticken.
Lockerschneelawinen können sich bereits durch Lärm, z. B. durch lautes Rufen, ablösen.
Naßschnee-Fließlawinen entstehen nach längerer Erwärmung, treten also häufig im Frühjahr bei Tauwetter auf. Als Fließlawinen oder Grundlawinen gehen sie zu Tale. Wenn der Schnee matschig und weich wird verliert er seine Haftung und fließt manchmal als gewaltiger Strom den Berg hinunter. Der schwere Schnee kann bei entsprechendem Gefälle bis zum Grund alles mitreissen. Auslaufstrecke und Geschwindigkeit der Naßschneelawinen sind viel geringer als bei den Staublawinen.
Der durchnässte Schnee der sonnenbeschienenen Hänge geht im Frühjahr häufig als sogenannte Naßschneerutschen ab, die in kleiner Form und durch die niedrige Fließgeschwindigkeit für Personen relativ ungefährlich sind.
Trockene Lockerschneelawinen: Die trockenen Neuschneekristalle verlieren durch die abbauende Umwandlung oft rasch ihre günstige Verzahnung. Falls nur schon ein an der Oberfläche liegendes Schneeteilchen in Bewegung gerät, kann es seinen talseitig liegenden Nachbarn mitreissen. Dieser Vorgang setzt sich fort, so entsteht eine Lawine mit fächer- oder birnenförmiger Form. Trockene Lockerschneelawinen kann man oft nach Neuschneefall bei stillen Windverhältnissen beobachten. Ein Wintersportler kann eine solche Lawine auslösen, auch ohne dabei selbst in die Lawine zu geraten.
Nasse Lockerschneelawinen: Viel gefährlicher sind die nassen Lockerschneelawinen: diese entstehen immer als Folge einer starken oberflächlichen Erwärmung. Der Schnee wird von Schmelzwasser durchnässt, die Bindung der Körner wird gelöst. Dadurch kann es zur Selbstauslösung der Lawine speziell in steilen Hängen kommen. Der talwärts fliessende, matschige Schnee bewegt sich nur langsam, ein Wintersportler kann meistens entkommen. Gerät er aber doch in die Lawine, dann ist er wirklich in Gefahr: Naßschneelawinen werden sehr hart, sobald sie zum Stillstand gekommen sind.
Beobachtungen/Wummgeräusche
Markante Wumm-Geräusche bilden sich beim abrupten Setzen der Schneedecke, wenn das Kristallgefüge in einer Schwachschicht zusammenbricht. Wummgeräusche sind ein Zeichen einer instabilen Schneedecke und oft verbunden mit Rissbildung. Wiederholte Wummgeräusche gelten als deutliches Alarmzeichen.
Auch die Beobachtung von Lawinenabgängen im Umfeld weist auf eine allgemein erhöhte Lawinengefahr hin.
Lawinen- Gefahrenstufen und maximale Steilheit:
STUFE 1: Die Schneedecke ist allgemein gut verfestigt und stabil.
STUFE 2: Die Schneedecke ist an einigen Steilhängen* nur mäßig verfestigt, sonst allgemein gut verfestigt. Es sollten grundsätzlich keine Abfahrten mehr bei Hangneigungen >40° erfolgen.
STUFE 3: Die Schneedecke ist an vielen Steilhängen* nur mässig bis schwach verfestigt. Es sollten grundsätzlich keine Abfahrten mehr bei einer Hangneigung >30° erfolgen.
STUFE 4: Die Schneedecke ist an den meisten Steilhängen* schwach verfestigt. Es sollten grundsätzlich keine Abfahrten mehr bei einer Hangneigung >25° erfolgen.
STUFE 5: Die Schneedecke ist allgemein schwach verfestigt und weitgehend instabil. Auf Schitouren sollte generell verzichtet werden oder nur sehr flaches Gelände befahren werden.
Die Angaben zur maximalen Steilheit in Bezug zur Gefahrenstufe bedeuten natürlich nicht dass Abfahrten unter der angegebenen Hangneigung ungefährlich sind. Immer muß zusätzlich die individuelle Situation betrachtet werden.